Gedanken zum Pomarium

Helmuth Stampfer konnte leider nicht zum Bürgerforum kommen und hat uns deshalb seine Stellungnahme zugesandt:

Im 11. Jahr nach Anmietung des Obstgartens der ehemals fürstbischöflichen Hofburg durch die Gemeinde Brixen ergibt sich, abgesehen von sommerlichen Zwischenspielen wie Maislabyrinth und Holzelefant, folgende Bilanz.

Die Apfel- und Wasserwelten, eine ziemlich banale Idee eines Schweizer Event-Managers, wurden auf breiter Basis abgelehnt.

Der historisch abgesicherte Vorschlag, das Areal wieder mit alten Obstbäumen zu bepflanzen und ein paar neue Gartenelemente einzufügen, Siegerprojekt eines eigens ausgeschriebenen Wettbewerbes und Ideallösung aus denkmal-pflegerischer Sicht, stieß in der Gemeindeverwaltung auf wenig Begeisterung.

Andrè Hellers völlig neues Konzept, sehr publikumswirksam präsentiert, überzeugte nicht nur die große Mehrheit der Gemeindeverwalter, sondern auch viele Bürger. Gegen die Vorschläge des renommierten Künstlers erhoben sich nur einzelne kritische Stimmen. Wie sollten auch Zweifel berechtigt sein im Hinblick auf klingelnde Kassen, die eine neue, überregionale Tourismusattraktion für Brixen ohne Zweifel nach sich ziehen würde. Zur Debatte steht auch heute nicht der Künstler, sondern einzig und allein die Frage, ob sein Projekt dem Standort angemessen ist. Die ehemals fürstbischöfliche Hofburg stellt die einzige, über Jahrhunderte gewachsene Residenz eines reichsunmittelbaren Fürsten des Hl. Römischen Reiches in Südtirol dar. Als Sitz des Diözesanmuseums ideal genutzt befindet sie sich in vorbildlichem Zustand.

Der Herrengarten im Norden und der ummauerte Obstgarten im Süden der einstigen Residenz mit Japanischen und Chinesischem Turm bilden wesentliche Teile dieses historisch wie architektonisch einzigartigen Ensembles. Braucht es nun unmittelbar neben der Hofburg tatsächlich einen neuen Tourismusmagnet oder würde nicht eine viel bescheidenere Gestaltung des Areals dem Verlangen nach öffentlicher Grünfläche für die Einheimischen weit mehr entsprechen ? Genau dieser Wunsch stand nämlich am Beginn der Verhandlungen zur Anmietung. Wenn schon die Idealvorstellung der Denkmalpflege keine Zustimmung fand, muss es unbedingt ein Garten mit beliebigen Themen und Attraktionen sein, der überall auf der Welt entstehen könnte ?

Neil Postman hat seine aufsehenerregende Kritik an der um sich greifenden Unterhaltungskultur mit dem Titel „Wir amüsieren uns zu Tode“ 1985 in Amerika publiziert. Wie denken wir heute in Südtirol darüber ? Ein behutsamer und nachhaltiger Umgang mit Kulturdenkmälern vom Rang der Brixner Hofburg ist ein Gebot der Stunde, umso mehr als kurzfristig auf Gewinn ausgerichtete Spaßkultur auch in unserem Land keine Grenzen zu kennen scheint.

Prof. Dr. Helmut Stampfer
Landeskonservator für Südtirol i. R

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Hermann Barbieri
Hermann Barbieri
5 Jahre zuvor

Eine öffentliche Grünfläche für die Einheimischen! „Genau dieser Wunsch stand nämlich am Beginn der Verhandlungen zur Anmietung.“ Aha? Da zieht sich doch ein roter Faden durch die jüngste Geschichte unserer Stadt. Immer wieder erinnern Bürgerinitiativen an diese Wünsche und übernehmen Aufgaben, die eigentlich die der Stadtverwaltung sein sollten: Wahrnehmung und Vermittlung der Interessen aller Bürger. Und immer wieder stellt sich die Stadtverwaltung auf die Seite der „relevanten Interessensvertreter“. Es sollte einen Preis geben für diese Bürgerinitiativen!

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